Noch ein weiteres Indie Metroidvania? Wir prüfen für euch was Ghost Song taugt!

Man mag es ja eigentlich nicht glauben, wenn man uns kennt. Doch wir von SquareTimes können gelegentlich sehr geduldig sein. Einige von uns warten seit 10 Jahren auf eines dieser JRPGS, die anderen auf so Sci-Fi-Shooter. Und warum auch nicht? Schließlich kann es sogar manchmal belohnt werden, dieses „Warten“. Beispielsweise das Warten auf einen guten Sonic Titel, wurde super belohnt mit Sonic Generations. Ein rundum guter Titel. Schnell, guter Soundtrack, nett anzusehen und abwechslungsreich. Naja, so Abwechlungsreich wie ein Sonic-Spiel im besten Fall halt sein kann. Jedenfalls – sehr empfehlenswert, nicht nur für Fans des blauen Igels.

Ein anderes mal kann man jedoch völlig umsonst warten. Zum Beispiel mehr als, sagen wir, so 4000 Tage? Sogar mehr als 4380, wenn man das Remake ignoriert. Wovon ich rede? Nicht von diesem Spiel, soviel ist klar. Okay zugegeben, nicht völlig richtig. Ich spreche in der Tat von Metroid. Ich, für meinen Teil, bin ich nämlich großer Metroid Fan! Und zwar Fan vom richtigen Metroid, nicht von diesen Metroidvania Möchtegern-Erfolgen wie Guacamelee oder Ori And The Blind Forest, sondern eben Metroid. Besonders die tradionellen 2D-Ableger. Hach, Super Metroid, du wunderbare Kindheitserinnerung… Der letzte 2D-Metroid Ableger ist in der Tat bereits 12 Jahre her. 12 Jahre, wir sprechen hier also von einer Zeit, in der noch kein Final Fantasy XIII Versus (bzw. XV) angekündigt war. Eine ganz schöne Zeit eigentlich.

Metroidvania, Atmosphäre der Marke „Dark Souls“ und handgezeichnete Sprites alá Vanillaware

Schlagen wir doch die Brücke zu Ghost Song. Glaubt man dem „About“-Bereich auf der Homepage des Spieles, dann muss es ihm wohl recht ähnlich wie mir ergehen. Auch Er ist großer Fan von Super Metroid und auch er kann es nicht mehr erwarten, dass endlich ein neues Metroid veröffentlicht wird. So sehr, dass er die Zügel selbst in die Hand nimmt, quasi. Er, das ist Matt White, und ist alleiniger Entwickler des Indie-Titels Ghost Song. Fragt man ihm nach seinem Spiel, dann beschreibt er es als etwas, was aus seiner Vernarrtheit mit dem SNES-Klassiker Super Metroid entstanden sei. Außerdem beruft er sich auf Einflüsse von Dark Souls und Phantasy Star Online. Super Metroid x Dark Souls, ein dunkles und einsames Metroidvania. Das klingt doch für eine einzelne Person ziemlich ambitioniert. Aber auch interessant. Doch was steht hinter den süßen Worten? Das lässt sich herausfinden.

Ein weiteres Indie Metroidvania? More like Meehtroidvania – amiright? – Chris zu Ghost Song, bevor er sich mit dem Spiel beschäftigte. Sinngemäßes Zitat.

Bei Ghost Song handelt es sich um das, was man im heutigen Indie-Slang wohl als Metroidvania bezeichnen würde. Oder man ist kurz ehrlich und bezeichnet es schlicht als Metroid-Klon mit düsteren und spoopy Einflüssen. Das Spiel ist ein 2D-Action-Adventure in einer großen, zusammenhängenden Welt, in welche man mit ohne Vorwissen hineingeworfen wird. Keine Einführung in den Plot, kein Tutorial, kein Noob-Schutz. Im Fokus steht eindeutig der Erkundungsaspekt. Wer ein Spiel erwartet, welches den Spieler lieb und nett an die Hand nimmt und über die Bienchen und Blümchen, Mutanten und Käfer und alle anderen sonstigen Gefahren aufklärt, der könnte hier etwas gegen die Wand fahren. Und mit „etwas“ meine ich: Mit-180-km/h-auf-feuchter-Fahrbahn gegen die Wand. Deutlicher: Das Spiel ist nichts für dich.

Der Start des Spiels - ein Wrack und keine Erinnerungen. Richtig für ein Metroidvania
Wie in einem Metroidvania typisch, gibt die Karte alle nötigen Informationen.

Du, allein in einer großen, isolierten Welt

Für alle, die mit dem Begriff Metroidvania nicht viel verbinden können: Das Spiel beruht auf dem Prinzip „Erkunden“-“Belohnung“-“mehr Erkunden“ und repeat. Ständig neue Fähigkeiten eröffnen ständig neue Möglichkeiten und lassen unerreichbare Wege plötzlich passierbar werden. So stellt ein Raum voller Stacheln ein schwer überwindbares Hindernis dar, jedoch nur bis man den „Ghost Dash“ erhalten hat. Der wird uns natürlich nicht in den Schoss gelegt, sondern möchte erstmal gefunden werden. Der Entwickler spricht in diesem Zusammenhang von Soft- und Hard-Secrets. Also geheime Passagen, die offensichtlich und weniger offensichtlich sind.

Ansonsten ist man mit einer Arm Cannon alá Megaman oder Samus ausgerüstet um sich gegen Feinde verteidigen zu können und hat Zugriff auf Sekundärwaffen – wie einer Gelbombe beispielsweise. Untypisch für das Genre: Sowohl Sekundär-, als auch Primärwaffen greifen auf ein Munitionssystem zurück. Einfach „Dauerfeuer – und alle Probleme sind gelöst“ funktioniert also nicht. Auch wenn sich die Primärmunition nach einer kurzen Zeit wieder von selbst auffüllt. Oben drauf gibt es noch ein kleines Level-Up/RPG-System, welches die Lebensenergie und den ausgeteilten Schaden erhöhte, wenn man eine gewisse Anzahl an Gegner getötet hat.

This isn’t a game that leads you by the nose. This isn’t a game that stands over your shoulder and makes sure you “discover” everything. This isn’t a game that particularly cares if you discover everything. – Matt White

Viel schönes dabei: Mutiger als das Vorbild

Die Frage ist: Was macht der Titel eigentlich nun gut? Nun ehrlich gesagt, ziemlich viel. Die Präsentation ist verdammt nochmal beeindruckend. Die 2D-Sprites sind wunderschön und mit viel Liebe zum Detail. Die gleiche Sorgfalt spiegelt sich auch bei den Animationen wieder, welche butterweich bei 60 FPS über den Bildschirm fließen. Also, sofern man sie sieht. Das Spiel gestaltet sich recht dunkel und kalt. Was zusammen mit dem wirklich großartigen Sounddesign durchaus eine sehr überzeugende, einsame Stimmung erzeugt. Weitaus ernster und ruhiger ist als im großen Vorbild Metroid.

Ein weiterer Unterschied zu Metroid: Der Sountrack setzt eher auf Ambiente, statt auf eingängige Melodien. Absolut die richtige Entscheidung, denn zusammen mit dem Voice-Acting entsteht so diese „Dark Souls“-ähnliche, einsame und bedrückende Stimmung. Das Voice-Acting begrenzt sich dabei auf die NPCs, von denen es der Beta insgesamt 3 gab. Der gesprochene Monolog trifft den Nagel auf den Kopf. Er ist nicht nur gut geschrieben, sondern komplettiert das Spiel in seiner Gesamtheit. Er hat im kompletten System einen Zweck und wirkt deswegen nie aufgesetzt oder unnötig, wie das zum Beispiel in Metroid Fusion der Fall ist. Hier also eindeutig Pluspunkte für die „Kopie“.

Ziemlich dunkel - selbst für ein Metroidvania

Streckenweise war die Demo sehr, sehr düster. Nicht nur positiv, im Sinne von Atmosphäre und Spielgefühl – viel mehr wörtlich gemeint: Man sah sehr wenig.

Dark Souls lässt grüßen: Jede Konfrontation kann töten

Abseits von der Präsentation gestaltete sich auch das Gameplay als vielversprechend. Wie erwähnt, handelt es sich im Kern schlicht um einen Super Metroid Rip-Off. Glücklicherweise ist dort nicht Schluss: Das additionale Munitionssystem und der Ghost Dash bringen eine neue Dynamik ins Grundgameplay. Das Spiel ist schneller und der Fokus des Kampfes liegt eher darauf Schaden zu vermeiden, als Rambo-mäßig durch die Welt zu stampfen. Als Konsequenz wird das Spiel relativ anspruchsvoll – Sterben gehört zur Erfahrung, vor allem wenn man anfängt Gegner auf die leichte Schulter zu nehmen. In der Beta waren die Wege zwischen den Speicherzonen jedoch noch nicht besonders groß, was das Ableben nicht weniger bitter machte. Viel Fortschritt verlierte man zwar nie, aber eine gewisse Grundangst entwickelte sich dann doch. Das fügte sich, mit der ohnehin schon bedrückenden Stimmung, ausgezeichnet zusammen.

Für reine Plattforming-Enthusiasten gibt es hier nichts zu sehen

Leider haben mir dann doch ein paar Sachen am Spiel nicht so gut gefallen. Als 2D-Action-Adventure spielt logischerweise auch Plattforming eine nicht gerade unwichtige Rolle. Und genau hier hapert es teilweise auch mal ein wenig mehr. Allgemein lässt sich sagen: Plattformen sind teilweise zu nah übereinander platziert. Das Resultat: Sprünge lassen sich schwierig ausführen. Jedenfalls ohne sich dabei den Kopf anzustoßen und so 27 Meter in die Tiefe zu stürzen und den Weg nach oben zum fünfunddreißigsten Mal anzutreten.

Das Leveldesign ist zwar optisch sehr stimmig und schön anzusehen, aber ein wenig mehr Aufmerksamkeit auf die möglichen Aktionen des Hauptcharakters wäre wünschenswert gewesen. Von einer Gameplay-Perspektive gesehen ist alles etwas uneindeutig. Entfernungen zwischen Plattformen lassen sich schwierig abschätzen und ein klarer Pfad ergibt sich nicht. Zweifel ist kein seltener Begleiter: Ist man grade schlicht zu dämlich, oder fehlt doch ein bestimmtes Power-Up um das Hindernis umgehen zu können? Ähnliches gilt für versteckten Passagen. Diese sind nämlich rein optisch sehr unscheinbar. Also fühlt man sich fast gezwungen jede Wand unter Beschuss zu nehmen. Das wäre gar nicht so tragisch, würde es nicht das bereits angesprochene Munitionssystem geben. In einem großen Raum sind also schon mal auf ein bis zwei Zwangspausen nötig, bevor man mit Sicherheit sagen kann: „Jepp, der Raum ist sauber!

Weniger tragisch, aber wegen der Vollständigkeit erwähnt: In der Beta-Version waren die Bosskämpfe wenig kreativ und taktisch wenig herausfordernd. Hier ist mehr möglich. Und wenn wir grade schon etwas am meckern sind – benötigt ein Metroid-Klon wirklich RPG-Elemente, die zum geistenlosen Grinden animieren?

Fazit: Das könnte was werden

Zu Ghost Song lässt sich folgendes sagen: Es hat Potential. Es könnte sehr viele Metroidvania und 2D-Action-Adventure-Fans sehr glücklich machen. Die Stärken sind das dynamisches Grundgameplay, die sensationelle Atmosphäre und ein scheinbar interessanter Plot. Bleibt nur zu hoffen, dass Matt die Probleme im Leveldesign regeln kann, denn nicht alles was schön aussieht, spielt sich auch schön.

Auch wenn der Kickstarter für den Titel bereits abgelaufen ist, kann man den Titel auf der offiziellen Homepage ghostsonggame.com weiterhin unterstützen. Auch alle Backer Rewards sind noch verfügbar. Wer sich also ebenfalls die Beta-Version anschauen möchte, der kann das für 50€ machen. Ein Betrag, den jedenfalls ich nicht bereue. Ghost Song hat Potential.